Zeche Sachsen Chronik/ Lebenslauf
In den Jahren 1903 bis 1906 ließ die
"Mansfeldsche Kupferschiefer bauende Gesellschaft Eisleben" in Heessen von
der internationalen Bohrgesellschaft eine Reihe von Bohrlöchern
niederbringen und mutete darauf 14 Steinkohlefelder. Die gute Ablagerung und Beschaffenheit der in der Umgebung aufgefundenen Kohlenvorräte veranlassten die damalige Oberberg- und Hüttendirektion, mit der Aufschliessung der Steinkohlenfelder zu beginnen. 1904 erwarb die Gesellschaft die Höfe Homann und Wältermann in Heessen mit einer Grösse von ca. 150 Morgen. Die Grundstücke dieser Höfe, unmittelbar an der Bahnstrecke gelegen, sind später zur Errichtung sämtlicher Betriebsanlagen genutzt worden. Nach einer weiteren Vergrösserung des Grundbesitzes für die erforderlichen Ansiedlungen auf ca. 1000 Morgen, wurden im Sommer 1911 die Vorbereitungen für die Eröffnung des Betriebes durch die Einrichtung eines Büros getroffen. Das Büro befand sich im Haus des Kaufmanns Paul Wegerhoff in Hamm auf der Borbergstr. 20. Da sich der Sitz der Mansfeldschen Gesellschaft in der Provinz Sachsen befand, wurde die in Hamm eingerichtete Verwaltung "Verwaltung der Zeche Sachsen" genannt. Das Abteufen zweier Schächte wurde vorbereitet - die auf einer Weide befindlichen Schachtansatzpunkte waren nur über Aschewege erreichbar, welche den Transport schweren Gerätes nicht zuliessen. Eine vorläufige Entladestelle wurde an der Eisenbahnstrecke eingerichtet, um die Anlieferung schwerer Maschinenteile und Baumaterialien zu gewährleisten. In feierlicher Weise erfolgte 1912 der erste Spatenstich. Aus einer Bretterbude, welche als Betriebsführerbüro, Markenkontrolle, Steigerstube, Waschkaue, Magazin und Schmiede diente, telegrafierte die örtliche Verwaltung an die Oberberg- und Hüttendirektion der Gesellschaft:
Als Erwiderung ging am gleichen Tage das folgende Telegramm ein:
Nach Erstellung der Abteufanlagen ging das Niederbringen der Schächte sehr schnell voran. Im Oktober 1912 konnten Teufleistungen von 120m in Schacht 1 und 116m in Schacht 2 erzielt werden. Diese Leistungen sind danach beim Abteufen von Tagesschächten kaum mehr erreicht worden. Ein launiger, zeitgenössischer Bericht macht noch einmal die damaligen Zustände lebendig. Er beschreibt das erste Betriebsgebäude:
Am 30. März 1913 wurde im Schacht 1 bei 758,5m das Steinkohlengebirge erreicht. Böllerschüsse verkündeten an einem Sonntagmorgen das frohe Ereignis.Ein Umzug der Abteufbelegschaft durch die Gemeinde Heessen gab der grossen Freude sichtbaren Ausdruck, ein kräftiger Bergmannstrunk schloss sich an. Das Festprogramm sah folgendes vor:
In einer aus gleichem Anlass gefertigten Bierzeitung fand sich unter anderem folgendes:
Erwähnenswert ist, daß die Schächte mit Ziegelsteinen ausgemauert wurden, die in einer eigenen Ziegelei auf dem Zechengelände bis zum Jahre 1919 hergestellt wurden. Mit diesen Steinen sind auch die ersten Siedlungshäuser errichtet worden.
Die Entwicklung des Bergwerksbetriebes Nachdem die Aus- und Vorrichtungsarbeiten in der Grube genügend weit fortgeschritten, eine vorläufige Verladeeinrichtung und ein Bahnanschluss geschaffen waren, konnte im Jahre 1914 die erste Kohle gefördert werden. Der Ausbruch des I.Weltkrieges behinderte den Ausbau der Anlage. Nach dem Krieg gingen der Ausbau der Betriebsanlagen und die Steigerung der Förderung sehr zögernd vonstatten. Im Jahre 1921 konnte erstmals eine Förderung von einer halben Million Tonnen überschritten werden. Bis zum Jahre 1933 erfolgte über diese Grenze hinaus keine nennenswerte Steigerung. Grund für diese Stagnation waren die sich verschlechternden wirtschaftlichen Verhältnisse während und nach der Inflation und die aufziehende Weltwirtschaftskrise. Trotzdem mussten unbedingt notwenige Ausbauarbeiten durchgeführt werden. So wurde der bereits während der Inflationszeit begonnene Bau einer Kohlenwäsche, wenn auch nur mit der halben vorgesehenen Kapazität, zu Ende geführt. Zur weiteren Konsolidierung des Bergwerks wurde 1926 der Bau von 2 Kokereibatterien zu Ende geführt. Die schweren Nachkriegsjahre hatten dazu geführt, das 1924 die Hälfte der Kuxe der im Jahre 1914 gegründeten Gewerkschaft Sachsen von der 1921 in die "Mansfeld AG für Bergbau- und Hüttenbetriebe" umgewandelten "Mansfelder Kupferschiefer bauenden Gesellschaft" an die Firma Otto Wolff in Köln abgetreten worden war. Trotz der Abstützung der Zeche Sachsen auf nunmehr 2 Gesellschafter wurde die Situation der Schachtanlage unter den katastrophalen Absatz- und Wirtschaftsverhältnissen der Jahre 1931 und 1932, unter deren Druck viele andere Bergwerke ihren Betrieb einstellen mussten, ebenfalls nahezu unhaltbar. Erst eine "konzentrierte Aktion" der Belegschaft, der Werksleitung, der Gemeinde- und Kreisverwaltung, des Regierungspräsidenten und anderer Stellen konnte nach vielen Monaten banger Ungewissheit und nicht zuletzt auf Grund geänderter Absichten der neuen Reichsregierung im Frühjahr 1933 erreichen, daß der Betrieb fortgeführt werden sollte. Hierzu wurden von den Gewerken, aber insbesondere von der Belegschaft durch einen bis 1935 dauernden, bis zu 10% betragenden Lohn- und Gehaltsverzicht, erhebliche Opfer gebracht.
Die Zeit bis Ende des II. Weltkrieges Im Oktober 1935 ereignete sich ein Grubenbrand in der Wasserhaltung der 1. Sohle, der die Existenz der Schachtanlage bedrohte. Die Arbeiten zur Brandbekämpfung gestalteten sich sehr schwierig und erforderten der aufopferungsvollen Einsatz nicht allein der eigenen Rettungsmannschaften, sondern auch der Grubenwehren anderer Schachtanlagen. Es gelang, die Abdämmungsarbeiten trotz aller Schwierigkeiten nach 9 Tagen ohne Unfall zu Ende zu führen. Das Jahr 1936 brachte eine günstige Weiterentwicklung der Schachtanlage. Die Förderung konnte nach Einführung neuer Abbaumethoden und wegen besseren Absatzes gesteigert werden. Die Förderung des Jahres 1936 betrug 715000t und war damit die höchste seit Gründung der Zeche. 1937, das Jahr des 25-jährigen Bestehens, brachte der Zeche Sachsen als Patengeschenk der Mansfeld AG für Bergbau- und Hüttenbetriebe die Genehmigung zum Bau einer dritten Koksofenbatterie und zum Abteufen des Schachtes 3, zu dem am 25.09.1937 der erste Spatenstich getan wurde. Das Teufen des Schachtes musste infolge des Krieges, der Materialknappheit und des damals bestehenden Verbotes von nicht notwendigen Ausrichtungsarbeiten im Jahre 1941 bei einer Teufe von 980m, nach Erreichen der 2. Sohle, beendet werden. Da eine Erhöhung der Förderkapazität der Schächte 1 und 2 wegen der kleinen Gestellförderung nicht möglich war, wurde 1941/42 der Schacht 2 von 950 auf 1100m weitergeteuft und am 2. Mai 1943 eine Gefässförderung von der 3. Sohle in Betrieb genommen. Nicht zuletzt hierdurch gelang es, im Jahre 1943 trotz des Krieges erstmals seit Bestehen der Schachtanlage mehr als 1. Mio t Kohle zu fördern. Mit Ablauf dieses Jahres wurde jedoch auch ein einstweiliger Schlusspunkt unter die Aufwärtsentwicklung der Schachtanlage gesetzt. Hieran waren folgende Ereignisse entscheidend beteiligt:
Der Bombenangriff hatte die Tagesanlagen der Zeche Sachsen stark zerstört, obwohl der überwiegende Teil der ca. 130 Bomben auf nicht bebaute Plätze des Zechengeländes gefallen war. Der Betrieb musste eingestellt werden. Durch das Bombardement selbst kamen auf dem Zechengelände 2 Belegschaftsmitglieder zu Tode. Eine Bombenserie traf jedoch die Unterkunft der russischen Kriegsgefangenen an der Sandstrasse und forderte unter ihnen und dem Wachpersonal 90 Todesopfer.
Der Wiederaufbau Am 05.04.1945 erlaubte der Kommandant der in Heesen eingerückten Amerikaner die Wiederaufnahme der Arbeiten auf der Schachtanlage. Am Freitag, dem 06.04.1945, fanden sich 120 Belegschaftsmitglieder auf dem Zechengelände ein und begannen mit den Aufräumungsarbeiten. Die Beseitigung der Gebäudeschäden dauerte mehrere Jahre und konnte im Jahre 1950 abgeschlossen werden. Am 15. Mai 1945 wurde die Arbeit unter Tage wieder aufgenommen. Die Belegschaft der Grube bestand jedoch nur aus einigen hundert Mann, so daß die Förderung sehr gering blieb. Hinzu kam die Beeinträchtigung der Leistung durch den herrschenden Lebensmittelmangel, durch fehlende Materialien, das Wohnungselend usw. Ein Umschwung trat mit der Währungsreform 1948 ein, die schnell zu einer neuen Ordnung im Wirtschaftsleben führte und dem Bergmann mit seinem Arbeitslohn wieder einen wirklichen Wert in die Hand gab. Die Förderung erhöhte sich von Jahr zu Jahr und überschritt im Jahre 1951 erneut 1 Mio t. Dies entsprach wegen der damaligen grösseren Anzahl der jährlichen Fördertage einer Tagesförderung von ca. 3350 t. Die Behebung der Kriegsschäden im Kokereibetrieb gingen im Vergleich zum sonstigen Tagesbetrieb sehr schleppend voran. Im Jahre 1945 wurde durch die Besatzungsmacht jede Reparatur an den Gebäuden und maschinellen Einrichtungen der Kokerei untersagt. Erst nach Lockerung dieses Befehls ab Oktober 1946 konnten die Batterien 1, 2 und 3 bis Dezember 1951 wieder in Betrieb genommen werden. Grosse Schwierigkeiten bereitete die Wiederherstellung der Siedlungen der Zeche Sachsen, die im Krieg weitgehend zerstört bzw. unbewohnbar geworden waren. Bei Kriegsende waren von insgesamt 1520 zecheneigenen Wohneinheiten 80 völlig vernichtet, 1060 mehr oder weniger stark beschädigt und nur 380 Wohneinheiten unbeschädigt. Die Wiederherstzellung bzw. der Neubau von ausreichenden Wohnungen zog sich bis weit in die 50er Jahre hinein. Hier ist nachzutragen, daß die Mansfeld AG für Bergbau- und Hüttenbetriebe am 01.01.1940 die Zeche Sachsen durch Tausch an die Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten "Hermann Göring" abgetreten hatte.Diese bildete mit der Zeche Sachsen, der Zeche Victoria in Lünen, Julia in Herne und Recklinghausen in Recklinghausen die "Steinkohlengewerkschaft der Reichswerke Hermann Göring". Diese Gesellschaft wurde nach dem Krieg durch die Besatzungsmacht in "Märkische Steinkohlengewerkschaft" mit Sitz in Heessen umbenannt.
Der weitere Ausbau In der folgenden Zeit wurde durch zahlreiche Massnahmen versucht, die Betriebsgrösse der Zeche Sachsen zu erhöhen und die Anlage nachhaltig wirtschaftlich zu gestalten. In diesem Zusammenhang sind zu erwähnen:
Diese Projekte wurden durchgeführt oder zumindest begonnen, bevor im Jahre 1958 die Kohlekrise begann. Ihre Auswirkungen sind allseits bekannt: Entlassungen, Feierschichten, Zechenstillegungen, vorzeitige Pensionierungen, Einstellungssperren, Unterlassung notwendiger Investitionen, Absinken des schweren Bergmannsberufes von der Spitze der Lohnskala in den Mittelbereich usw. Die letzten Zeilen eines von Ernst Germann aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums der Schachtanlage geschaffenen Gedichtes sollten sich nicht erfüllen. Er schrieb damals:
Der Beginn der Krise Auf Sachsen ging es seit Anfang der 60er Jahre nicht mehr um die Steigerung der Förderung, wie sie vom 67m hohen Wahrzeichen Heessens, dem Förderturm des Schachtes 5 signalisiert wurde, sondern es ging wie schon so oft um das Überleben der Zeche Sachsen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde 1963 die Ausrichtung nach Südosten und 1964 die Ausrichtung nach Südwesten eingestellt. Die Verunsicherung der Belegschaft führte zu einer Massenflucht aus dem Bergbau. Selbst die Anlegung zahlreicher Gastarbeiter Anfang der 70er Jahre konnte dem Belegschaftsschwund nicht ausreichend entgegensteuern. Der Belegschaftsanteil der Gastarbeiter wuchs von 9,2% auf 36%, ohne daß sich die Gesamtbelegschaft dadurch erhöht hat. Angesichts der verhältnismässig kurzen Verweilzeiten der Gastarbeiter ergaben sich erhebliche Anlern- und Anpassungsschwierigkeiten. Mit Übergang der Schachtanlage und der Kokerei in den Besitz der Ruhrkohle AG am 01.01.1970 setzte eine gewisse Änderung der langfristigen Zielvorstellungen ein. Angesichts der im mittleren Ruhrgebiet durchgeführten Zechenstillegungen beabsichtigte die Gesellschaft, im Osten u. U. Fördererhöhungen vorzunehmen. Aus dem ca. 100 Quadratkilometer umfassenden Grubenfeld sollten bis zu 12000t Tagesförderung erzielt werden. Der Markt regulierte in Verbindung mit dem ständigen Geldmangel der Gesellschaft die Tagesförderung auf 6000t. Die Planungen erstreckten sich in den letzten Jahren auf das Baufeld Bayern und das Südwestfeld. Alle anderen Bereiche des Feldbesitzes konnten entweder wegen der Übertagesituation (Bebauungsgebiet der Stadt Hamm, Verschiebebahnhof, Kanalbrücken usw.) oder wegen der geologischen Verhältnisse (zu grosse Teufe der Fettkohlenflöze, steile Lagerung, Störungen usw.) nicht in die Planung einbezogen werden. Auskunft über die geologischen Verhältnisse sollten sowohl geophysikalische Messungen als auch Tiefbohrungen ergeben. Gleichzeitig wurden Versuchsstrecken in das Südwestfeld und in das Ostfeld Prinz Schönaich getrieben.Mit dem Fortschreiten der genannten Arbeiten verschlechterten sich die Erwartungen, in diesen Feldesteilen nachhaltig wirtschaftlichen Abbau zu betreiben. Die geologischen Verhältnisse waren durch zahlreiche Störungen aller Grössenordnungen weitaus schlechter als erwartet.
Die Stillegung Die radikal verschlechterte Absatzsituation 1975 sowie das enorm schlechte Betriebsergebnis führten zu dieser ungünstigen Entwicklung. Der Niedergang von Förderung und Leistung findet seinen Ursprung bereits in den Jahren 1973 und 1974: Gebirgsschläge bei der Vorrichtung und beim beginnenden Abbau des 5. westl. Strebes in Floz Wilhelm/ Johann an Schacht 4 am 8. August 1973 und am 28. Juni 1974. Diese schweren Unglücke forderten 13 Menschenleben - auch dieser Umstand hat die Entscheidung zur Stillegung mit beeinflusst. Die Absichtserklärung des Vorstandes, das Bergwerk noch im Jahre 1976 stillzulegen, wurde der Belegschaft auf einer Betriebsversammlung am 31. Januar desselben Jahres mitgeteilt. Ein vom Vorstand der BAG Westfalen eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. Spickernagel, Montanistische Hochschule Loeben, und ein auf Verlangen der Betriebsvertretung über das Oberbergamt Dortmund eingeholtes Gutachten von Prof. Dr. Reuther, Technische Hochschule Aachen, ergaben die Berechtigung des Stillegungsbeschlusses. Der endgültige Vorstandsbeschluss vom 15. März 1976 führte zu folgender Pressenotiz:
Die Einstellung der Förderung erfolgte am 4. Juni 1976, mit dem Heben des letzten Kohlenwagens an Schacht 5. Zu diesem Anlass wurde die gerade ausgefahrene Belegschaft der Morgenschicht und die über Tage anwesenden Betriebsangehörigen eingeladen. |